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Im Nußgraben steht das Gras schon bis zum A....

Autor: Buschn-Hans
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Könnten Sie eigentlich auf Anhieb sagen, von wann oder bis wann denn die sogenannte „gute alte Zeit“ ging? Vielleicht gab es - für Sie persönlich - sogar eine solche Zeit irgendwann einmal. Früher! Aber für alle hier bei uns? Doch - oder doch nicht? In meiner Kindheit - so in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts - war eigentlich Not und Mangel an fast allem das Normale. Jedoch diese Zeit wieder verglichen mit den Jahrzehnten vorher, war - in der Rückschau - vielleicht doch die „gute alte“! Wir Kinder konnten sie damals nicht mit der davor vergleichen und hatten uns den momentanen Gegebenheiten anzupassen.

Eine dieser Gegebenheiten war, daß uns die Eltern auf den kleinen „Kouhpritscher-Höfen“ schon früh Arbeiten auftrugen. Arbeiten, welche uns keineswegs immer „schmeckten“. Stundenlang bin ich - fällt mir gerade ein - fast jeden Tag im Frühjahr im dunklen Keller gehockt und mußte die angekeimten „Säu-Erdäpfel“ abwurzeln. Die Keimstengel enthalten Giftstoffe, welche den Schweinen auch nach dem Abkochen noch schaden können. Dies war eine recht dreckige „Sau-Arbeit“, hatte ich doch öfter mal statt einer festen Kartoffel eine total verfaulte in den Fingern. Und gelegentlich auch eine Erdkröte im Winterschlaf. Wie ich die dann „abgewurzelt“ habe, möchte ich lieber nicht verraten.

Im Kopf geblieben ist auch das ungeliebte „Nourechern“ bei der Heu-, Grummet- und Getreideernte. Bei dieser „Kinderarbeit“ mußten auch noch die letzten Reste des Futters mit dem Holzrechen vom Boden aufgenommen werden. „Á jeds Schoufmáál voll mou má z'sammtou“, schärfte mir meine Mutter immer wieder ein. Und der kleine Hanserl hat dagegen gemault: „Mir hom doch goor koi Schouf, ner zwoá alte Köih und á Goaß!“ Ja, so war das.

Bei uns in der Oberpfalz kann der Winter manchmal ganz schön lang sein. Da wurde öfter mal das Futter für die „Vöicher“ knapp. Wenn so ab Februar die „Rangersen“ (Rüben) im Keller alle wurden, die Heustöcke bis auf kleine Reste verfuttert waren, dann wurde den Kühen kleingehäkseltes Stroh mit unters Heu gemischt. Die waren davon nicht begeistert, schubsten das Futter unlustig im Barren hin und her und haben es dann - vor lauter Hunger - doch gefressen. Da war man dann auf den kleinen Höfen heilfroh, wenn an warmen Frühlingstagen das erste Gras aus dem Boden sproß und man „döi poar Schwánz áástreibn“ (die Tiere auf die Weide bringen) konnte.

Natürlich gab es auch wunderschöne Kindheits-Erlebnisse. Wenn beispielsweise unsere ganze „Hárd“ (Herde) von „Boum und Moidlán“ stundenlang in den Heustöcken spielte, sie mit Krabbelgängen durchlöcherte, oder wir vom höchsten Heuberg gleich unterm „Schtodeldooch“ runtersprangen auf den kleinen Heuhaufen, von dem gerade das Viehfutter abgeräumt wurde. Was gab es da auch alles zu entdecken! Von den Hühnernestern mit vielen - von der Bäuerin nicht gefundenen - Eiern, die kleinen noch blinden Kätzchen der letzten „Schiett“ und auch, daß sich die „Moidlá“ - außer durch die langen Zöpfe - noch in etwas von uns „Boum“ unterschieden. Unsere Eltern sahen es natürlich nicht gerne, wenn wir unsere Abenteuerspielplätze in den Heustädeln belegten und gelegentlich gab es sogar Prügel - wenn man uns in flagranti erwischte. „Schauts blouß daß'd s ásserkummts, enk Frecker“, hat öfter mal ein Bauer vor dem Heustock gebrüllt. Doch die „Frecker“ entwischten meistens durch ein - vorher schon vorsorglich - losgetretenes Brett in der Giebelwand. Ein kühner Sprung in den Garten runter entzog uns - für's erste mal - den angedrohten Schlägen.

Doch nun zu dem hohen Gras im Nußgraben! Diese „Gschicht“ hat mir vor kurzem der „Houfmichel-Karl-Heinz“ erzählt mit dem Hinweis: „Daß'd ás ower niát glei wiedá in dá Zeitung bringst“. Ich tu`s aber doch. Sie handelt - wieder einmal - vom alten „Faßlbiener“ von Kohlberg. Dieses „Original“ war - nach dem Krieg im Ort ein gern gesehener Mitbürger. Verstand er es doch, die Leute mit seiner Erzählkunst und seinem Schalk zu begeistern. Wenn der in eine Gastwirtschaft kam, war meist für Unterhaltung gesorgt.

„Des woar ámaal schpout im Wintá, wöi's scho guat ássewátts (rauswärts, auf den Frühling zu) ganger is“, begann der Karl-Heinz seine Erzählung. „Dou is dá Mutzbauer (das ist der zweite Hausname des Faßlbieners ...damits für die Leser nicht so einfach ist), also dá Faßlbiener áá ámal wieder im Wirtshaus g'wen. Naa, wöi schtöiht's denn vo dir mit'n Hei, hom's n gfrougt“. Der Mutzbauer hatte auch eine kleine Landwirtschaft im Ort und zu der Jahreszeit sicher nicht mehr viele Heu- und Futtervorräte für seine wenigen Tiere.

„Hei, ja Hei how i nu gnouch“, prahlte der aber wider Erwarten. „Án ganzn Schtock voll. Ich kaa blouß niat hii - wáál d Katz drááf g'schitt hout!“ Sie, liebe Leser wissen sicher, wieviel Platz so eine Kätzin für ihr Nest mit Jungen braucht! Nach dem Lacher der Gäste am Wirtshaustisch setzte der Faßlbiener noch eins drauf. &bdqou;Ower des macht nix, wáál im Nußgrobn drobn, dou how i á Wiesn. Dou legt se d Sunná soo ei (wärmt so stark), daß mir öitz scho s Gros bis zum Oarsch göiht!“ „Krampfhenná“ - oder so etwas ähnliches soll ihm einer geantwortet haben. „So baal im Fröiling houst áá du nu koi Gros!“ „Wos wettn mà“, hielt der Faßlbiener dagegen. „Bis zum Oarsch göiht's má s scho!“ Sie haben gewettet und wollten auch gleich sehen, wer denn der Sieger sei.

Die Wette hat der Faßlbiener doch tatsächlich gewonnen! Auf der „Nußgrobn-Wiesn“ angekommen zog er bedächtig die Hosen runter und ging so tief in die Hocke, daß ihm die wenige Zentimeter hohen Grashälmchen tatsächlich am „Allerwertesten“ kitzelten. Ja so war er, dieser Schelm - „ower di Leit hout's g'falln!“