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Ein Salut mit ungeahnter Wirkung

Autor: Buschn-Hans
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Vor kurzem erzählt mir der Gäwerl-Schorsch ein Lausbuben-Stückl aus seiner Ministrantenzeit um 1935/36. Er war damals etwa 10 Jahre alt und hatte es wohl auch „faustdick hinter den Ohren“. Aber zuerst mal noch einen Sprung in die Gegenwart, weil es das „Corpus delicti“ im Ort immer noch gibt. Es ist die alte Böllerkanone der Reservisten-Kameradschaft, ein Erbstück vom früheren Kriegerverein. Hergestellt wohl noch vor dem ersten Weltkrieg.

Die meiste Zeit steht sie - gut gewartet - in der Lagerhalle des Steinmetz-Betriebs Roith. Jedes Jahr am Volkstrauertag sowie bei Beerdigungen von Kriegsteilnehmern und Mitgliedern der Reservistenkameradschaft wird mit ihr ein Ehren-Salut geschossen, so wie schon seit nahezu 100 Jahren. Der Posaunenchor oder eine Musikkapelle stimmt das: „Lied vom guten Kameraden“ an und bald darauf rummst es ganz gewaltig. Beim ersten Knall sacken dabei oft die Instrumente der Musikanten und - bei schlechtem Wetter - die Schirme der Anwesenden erschrocken nach unten. Traditionell drei Schüsse werden abgefeuert bis die zweiten Strophe endet: „Er liegt zu meinen Füßen, als wär's ein Stück von mir“.

Aber jetzt soll der Schorsch erzählen. „Woißt, des wor damals so, dou hout im heintichn Behrend-Haus (zwischen Schlegl und Gäbelein) á gwisser Windisch-Hans gwohnt. Der woar Kriegsveterán vom erschtn Weltkröich und hout schlecht göih (gehen) kinner. Immer vo Beerdichungen áf'm katholischn Friedhof (am Südende des Ortes) hout der di Böllerkánoner bedöint.“ Die Ministranten-Buben mussten sie vom Unterstellplatz im Nebengebäude des Rathauses, wo auch die Feuerspritze stand bis zum Friedhof hinaufschieben. Geschossen wurde gleich unterhalb der Friedhofsmauer auf der „Wognerbeckn-Wiesn“. Dort standen auch etliche Obstbäume und eine Eiche. Der Kriegsveteran lud die Kanone damals noch mit Dynamit. In eine Kartusche aus fester Pappe mit einem Messingboden wurde die Ladung reingeschüttet und dann kam ein Pappdeckel oben drauf. Das Ganze wurde am hinteren Ende des Rohres in den Lauf eingeklinkt und die Zündkammer verriegelt.

Es muß in den großen Ferien so um die Jahresmitte gewesen sein, als die begleitenden Ministranten bei einer „Leich“ (Beerdigung) ihr Lausbubenstückl lieferten. „Oi Kreizltrocher (Kreuzträger) und zwoa Ministranten sán mit'm Pforrer ganger und mir annern worn die Kanoniere. Des wor natirlich fir uns Boumer des vül Intressántere“, erzählt der Schorsch. Am vorgesehenen Platz in der Wiese hat der Windisch-Hans sorgfältig die Böllerschüsse vorbereitet und nicht gemerkt, was die „Lausbuben Gottes“ derweil für einen Schabernack trieben. Die Kapelle stimmt das Lied: „Ich hatt' einen Kameraden“ an, der Kriegsveteran betätigt die Zündvorrichtung, es kracht gewaltig und dann prasseln aus einer etwa 5 bis 8 Meter entfernten Eiche Laub und Zweige: „ner so oier“, lacht der Schorsch. Die jungen „Kanoniere“ hatten - um die Sache spannender zu machen - das Kanonenrohr mit „Epflpampern“ gefüllt. Nicht auszudenken, was geschehen wäre, hätte die Rohrmündung mit den unreifen Äpfeln in Richtung der Trauergemeinde gezielt! „Dá Windisch-Hans is g'scheit dáschrocká, wáál er gmoint hout, des wárn Schtoiner g'wen und hout uns glei zum Teifl g'haut! Ower zum Oarerzöihgn (Runterziehen der Kanone) hout er uns nou doch wieder braucht“, weiß der Schorsch noch.

Zum Schluß sagt er einen Satz, bei dem es mir kalt über den Rücken läuft. „Des woar á so: erscht wenn se oiner ááskennt hout als Ministrant, dann is er „Kanonier“ worn und hout mit in die „Feierschtellung“ derft!“ Wie viele gute Ministranten haben wohl seitdem ihr Leben gelassen in den Feuerstellungen rund um den Globus - dort, wo nicht mit „Epflpampern“ geschossen wird.