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Der Faßlbiener

Autor: Buschn-Hans
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Dem „Faßlbiener“ seine Säu in der Selch.

Manche Vorkommnisse sind von der Art, daß sie auch nach Jahrzehnten noch erzählt werden. Die „Gschicht“ vom Kohlberger „Faßlbiener“ seine Säu ist so eine. Der „Houfmichel-Karlheinz“ und der „Fejchtn-Heiner*“ haben sie unlängst wieder mal am Biertisch gebracht. Passiert ist sie wohl zwischen 1945 und 1948. Obwohl: „inszeniert“ und dann vom „Biener“ erzählt, der Wahrheit näher kommen könnte. „Faßlbiener“ war früher der Hausname eines Kohlberger Hofes. Heute ist er mehr als „Mutzbauer“ oder als „Wastlbauernbiener“ im Ort geläufig. Vielleicht auch, weil es damals zusätzlich noch den „Kirchenbiener“ und den „Edelbiener“ (oder „Ettlbiener“?) gab.

So kurz nach dem verlorenen Weltkrieg war auch bei uns im Markt eine bitterarme Zeit. Vieles gab es nur auf „Marken“, also Bezugsscheine. Vieles gar nicht. Nicht für die alte Reichsmark noch für gute Worte. Daß in dieser Situation der Tauschhandel blühte, das ist bekannt. Schwarzmarktgeschäfte waren an der Tagesordnung. Wann immer es ging, versuchte man seine Familie mit selbstproduzierten Lebensmitteln zu versorgen. Doch auch da gab es Rationierungen. Wenn auf den Höfen ein Schwein geschlachtet werden sollte, so mußte das angemeldet werden. Erst mit der entsprechenden Bescheinigung - dem Schlachtschein - konnte es der armen Sau an den Kragen gehen. Bei Schwarzschlachtungen drückten die Nachbarn – gegen einen Obolus aus der Schlachtschüssel – natürlich die Augen zu. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen – es hat funktioniert. Wer trotzdem erwischt wurde, bekam eine empfindliche Strafe.

Doch nun zum „Faßlbiener“. Dieser „einergheierte“ Johann Richtmann betrieb das letzte landwirtschaftliche Anwesen am Südende von Kohlberg. Zu klein, um davon leben zu können. Aber er war von Beruf ein tüchtiger Büttner, also ein „Scháfflmacher**“ oder eben „Biener“, wie es bei uns heißt. Neben den Aufträgen der Kohlberger und der Dörferer Bauern (also von den „Gründörfern“ östlich von Kohlberg) war er zu Fuß und mit dem Fahrrad oft weiter weg um auf den Höfen die Holzgefäße zu reparieren und um neue Zuber, „Scháffln“, Sautröge, Kraut- und Bierfässer anzufertigen. Daheim ging es derweil oft recht „noutig“ zu. Seine junge Frau war überraschend verstorben und hatte ihn mit sechs kleinen Kindern zurückgelassen. Sein Sohn - ebenfalls ein Johann Richtmann – spricht voll Stolz und Respekt von seinem Vater. „Er hout uns Kinner schtreng derzogn. Ower vo uns is koins áf d schiefe Bahn kummá. Á wenn má ohne Muttá áfgwachsn sán“. Auch seinen Humor hatte der „Faßlbiener“ trotz des Schicksalsschlages nicht verloren. Es kursieren von ihm noch etliche Geschichten, bei denen die Erzähler immer wieder bewundernd einfügen: „Brouder, á Mátz wor er scho!“

Diesem Ruf wurde er auch an jenem Abend gerecht, als er auf dem Rückweg von der Arbeit in einem der Röthenbacher Wirtshäuser, beim „Huber“, einkehrte. Drin saßen bunt gemischt die „Hütterer“ und die „Dörfler“ beim Bier. In dem Kohlberger Ortsteil war der Baron von Grafenstein damals der größte Arbeitgeber. In der Glashütte sowie in der Spiegelschleiferei arbeiteten die „Hütterer“ und die „Dörfler“ im großen landwirtschaftlichen Betrieb. Viele Heimatvertriebene fanden da auch vorübergehend ein Unterkommen und eine Arbeitsstelle. Mit an einem Tisch sah der „Faßlbiener“ aber auch zwei Herren, die von der Kleidung her nicht ganz in diesen Rahmen zu passen schienen. Er glaubte bald zu wissen, wen er da sitzen hatte und der Schelm in ihm regte sich.

Er bestellte: „Gejh, Wirt, i ho á weng án Hunger. Bring má á Wurschtsemml! Odá, ná, lejwer glei á Broutwurscht!“ Der Wirt bedauerte. Sowas habe er nicht vorrätig. „Ner án Broutháring kánnt á dá bringer!“ „Ná, nou án Háring is má heint niát“, meinte der und setzte noch hinzu: „Na ja, macht á nix, i ho sowejso vejer Säu daham im Schlout henker!“. Die Köpfe der beiden Herren am Nebentisch ruckten leicht in die Höhe. Ganz zufrieden trank der Richtmann-Johann sein Bier zu Ende, zahlte und fuhr in Richtung Kohlberg. Er erwartete baldigen Besuch und wollte noch eine Kleinigkeit dafür vorbereiten.

Unversehens geriet inzwischen der Röthenbacher Wirt zwischen die Fronten der polizeilichen Obrigkeit und der Solidarität zu seinen Gästen. Die beiden Herren fragten nach wer, was und dem Wohnort dieses Gastes. Und ob es denn sein könne, daß der vier Schweine in der Räucherkammer habe. Der Wirt gab widerwillig Antwort: „Wenn er des sagt, dann wird’s scho so sà!„

Heute gibt es so verschiedene Bezeichnungen wie verdeckte Ermittler, V-Leute oder Street-worker bei der Polizei. Damals waren das einfach „Kriminaler“, welche nach verdächtigen Personen Ausschau hielten. Besagte „Kriminaler“ standen zeitig am nächsten Morgen vor des Faßlbieners Haustür. „Sind Sie der Herr Richtmann? Stimmt es, daß Sie gestern gesagt haben...?“ Der antwortete darauf mit dem ehrlichen Brustton eines unbescholtenen Mannes welcher die Wahrheit sagt. „Ja, freile how e vejer Säu in der Selch henker!“ Die wollten sie gern in Augenschein nehmen. Bereitwillig führte er sie die Bodenstiegen hinauf zur Räucherei, öffnete das schwarze Eisentürl und ließ die Besucher reinschauen. In der warmen Luft, welche vom Herdfeuer durch den Schlot raufzog, pendelten an Schnüren tatsächlich vier prachtvolle „Säue“ in der Räucherkammer: die „Schellnsau, die Oichelsau, Herzsau und die Grejne“ vom Schafkopfspiel.

„Route Köpf hom’s krejgt vor Wout, oigschturt hán’s iwer d Bodnschtejch und d Haustihr hättn’s mir beinah nu eitretn, daß ásse kummá sán“, erzählte der Richtmann-Johann anschließend lachend im Markt. Klar, daß so eine „Gschicht“ dem armen Volk damals imponiert hat. „Ja, á Mátz wor er scho, der Faßlbiener!“

Buschn-Hans