„Beispiel“

Frau Holle war damals nicht schuld

Peinlicher Vorfall bei Kohlberger Firmung vor etwa 85 Jahren.

vom Buschn-Hans

Wer früher im Weidener Stadtteil Fichtenbühl den Gäwerl-Schorsch und seine Frau Berta besuchte, der bekam so manch alte Geschichte erzählt. Meist lustige, denn der Hausherr, Georg Gäbelein lachte selbst gerne, oft schon mal kurz vor der eigentlichen Pointe. „Woisst, dees wor damals aa soo..“, mit diesen Worten begannen meist seine Anekdoten..

Er berichtete aber auch von der harten Jugend Mitte der 1930er Jahre in Kohlberg, als er oft barfuß lief, weil die Schuhe geschont werden mussten, wo mühseliges „Schtoiner ooklaabn“ (Steine im Feld aufsammeln) zur Kinderarbeit gehörte und er als „Köihbou“ (Hirte) auf der mageren Waldwiese mit Blick bis zu den Höhen des Fichtelgebirges die Liebe zur Heimat, den Tieren und Menschen darin entdeckte. Doch lassen wir ihn selbst zu Wort kommen.

„Woisst, dees wor damals aa soo, schoo fröiher worn in daa Zeit zwischer Oustern und Pfingstn di Firmunger aag'setzt“, begann er. In der katholischen Kirche ein hoher Festtag, an welchem die Firmkinder das Taufversprechen ihrer Eltern und Paten bekräftigen und durch Salbung und Handauflegen gesegnet werden. Heute meist durch Bischöfe, damals auch vom Ortspfarrer im Hochamt. So eine Firmung stand also einst an. Der Herr Lehrer saß oben auf der Empore am Orgeltisch und studierte nochmal seine Noten, neben ihm eine Schar Schulkinder, die später einige Lieder zu singen hatten. „Mir worn damals aa koi Schouferler (Schäfchen)“, sondern rechte Lausbouhm und rotzfreeche Moidler“, bekannte der Gäwerl-Schorsch. Klar, dass da eifrig getuschelt, geschubst, geboxt und an den Zöpfen gezogen wurde. Zwei der Lauser waren sich besonders feind, die haben sich „tratzt“ (schikaniert) wo sie nur konnten. Bis der Lehrer kurz vor der Feier ein drohendes „Wenn äitz niaat glei aa Rouh iis, … dann...“, in Richtung der Kinder schickte.

Da für so ein katholisches Fest Prunk, Glanz und Gloria dazu gehören, war der Einzug der jungen Christen in die voll besetzte Kirche besonders feierlich geplant. Sobald der Mesner beide Türflügel knarrend öffnete, der Lehrer auf der Empore beim Präludium die Orgelpfeifen zum Jubilieren brachte, da senkten vor der Kirche die Fahnenträger ihre Banner, um unbeschadet durch den Eingang zu kommen. Ihnen folgten feierlich die Firmlinge mit ihren Kerzen, dann der Herr Hochwürden mit der goldschimmernden Monstranz vor dem Leib, flankiert von seinen Ministranten. Den Schluss bildeten die würdevoll schreitenden Herren vom Pfarrgemeinderat. Nur Männer und alle in weißem Hemd, tiefschwarzem Anzug mit ebensolchem Schlips und dem damals obligatorischen Zylinderhut aus feinem Tuch in der Hand. Viele vor Rührung glänzende Augen der Kirchgänger verfolgten gespannt dieses Defilee hin zu den reservierten Bänken der Honoratioren. Soweit, so gut.

Auf der Empore liefen die Kinder vor zur runden Brüstung um auch möglichst viel von der Einzugszeremonie mitzubekommen. Einer der beiden Lauser schnappte seinen Konkurrenten, drehte ihn herum und nahm dessen Platz ganz vorne in Beschlag. Der so Zurückgesetzte stand bebend vor Wut dann hinter ihm, sah ein da liegendes Stuhlkissen, holte damit aus und knallte es seinem nichtsahnenden Vordermann mit voller Wucht auf den Kopf. „Platsch, … ratsch, … die Nouht (Naht) iis grissn und aa haffer gscheckerte (bunte) Hehnerfedern san iiwer dii Brüstung g'flogn“, lachte der Schorsch. Dort verteilte sich der Kisseninhalt schnell auf einige Meter sakralen Luftraum und schwebte sachte hin und her schaukelnd abwärts. Direkt auf Haupt und Körper der gerade hereinziehenden honorigen Herren Pfarrgemeinderäte. „Meii, döi hobn dann vielleicht blousn, g'wischt und see oo-pludert, dass 's dees G'fliech (Federn) wieder aa weng oarerbracht (abgeschüttelt) hobn“, weiß der Georg. Die festliche Andacht der Kirchenbesucher war jedenfalls für kurze Zeit dahin. Ob nach dem feierlichen Hochamt dann ein ganz unheiliges Donnerwetter auf die Emporenkinder wartete, das wusste der Erzähler nicht mehr, aber: „Naa, dees kannst da ja doch denker“, schmunzelte der Schorsch.

Nachtrag: Ganz oben im Deckengemälde der Kirche sieht man den Heiland mit ausgebreiteten Armen inmitten einer Schar Gläubiger. Vielleicht hat der ja leise gelächelt, als diese Geschichte passierte, denn die Himmlischen sehen eventuell viele unserer Schlamassel mit weitaus mehr Güte und Gelassenheit als wir meinen. Hoffentlich!

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Die Kohlberger Herz-Jesu-Kirche erstrahlt seit der letzten Renovierung in freundlichen Farben. Ein würdiger Ort, um dort im Gebet zu verweilen. Davon, dass es vor langer Zeit von der Empore herab Hühnerfedern regnete, weiß heute fast niemand mehr.

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Im Deckengemälde empfängt der Heiland die Gläubigen mit ausgebreiteten Armen.

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Georg Gäbelen, der Erzähler dieser Geschichte, lebt heute hochbetagt in einem Weidener Seniorenheim.



Autor und Fotos: Buschn-Hans
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